Vor fast genau einem Jahr habe ich meiner Mama den Windows XP-Rechner platt gemacht und ElementaryOS 0.3 Linux installiert. Die letzte Urlaubswoche in der Schweiz nutzte ich um nach dem Rechten zu schauen. Hier ein Rückblick.

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Es ist schon mehr als 10 Monate her, seit ich über das Projekt «Mama’s Laptop von Windows XP zu Linux» berichtet habe. Das liegt daran, dass ich in Norddeutschland nicht viel mitbekomme wie es denn um das Linux-Gerät im früheren Elternhaus steht 🙂 Die letzten Tage war ich mit meiner Frau zu Besuch in der Schweiz und habe gleich ein paar «lebenswichtige» Änderungen an der Linux-Installation vorgenommen. Die Probleme mit ElementaryOS 0.3 wurden einfach zu groß, so dass etwas geschehen musste.

Ein bisschen war meine Mama durchaus genervt von dieser Linux-Installation, aufgrund eines Bugs der bis heute nicht behoben wurde: Intel hat in den Treiber xserver-xorg-video-intel einen Fehler eingebaut, wodurch die Maus verschwindet wenn der Bildschirmschoner anläuft oder der PC entsperrt wird. Und das passiert so gut wie nach jeder kleinen Pause à 5 Minuten, dann ist die Maus einfach – weg! Eine Umgehungslösung besteht darin mit STRG+ALT+F1 kurzfristig ins TTY1 zu wechseln, dann zurück ins TTY7.

Das ist die Desktop-Station, worüber meine Artikelserie handelt. Hier schon mit Linux Mint, worüber der kommende Artikel #5 handeln wird.

Das ist die Desktop-Station, worüber meine Artikelserie handelt. Hier im Bild schon mit Linux Mint, worüber der kommende Artikel #5 handeln wird.

Alle Ubuntu 14.04 Derivate sind betroffen, denn der Fehler wurde nur in Ubuntu 16.04 behoben (??). In der alten LTS Version Ubuntu 14.04 ist der Bug einfach ignoriert worden (???), seit April 2016 weiterhin kein Patch verfügbar.

Die Probleme im letzten Jahr 2016

Meine Mama hat nicht viele Anforderungen an einen PC. So dachte ich, ElementaryOS wäre die beste Wahl weil dieses Linux «einfach einfach» sein möchte als ich ihr im September 2015 diese Distribution installierte, womit Windows XP abgelöst wurde. Aber so einfach ist ElementaryOS leider doch nicht, oder wie Papa wörtlich mir erklärte, «mängmal isch elementäry scho chli zu elementäry». Immer dann wenn meine Mama mit einem Linux-PC-Problem nicht weiter kommt, ruft sie Papa und er muss helfen. Bedeutet im Umkehrschluss, er muss mit der Distro eher klarkommen und sie verstehen, die Mama klickt nur dort wo sie es gelernt hat.

Also habe ich meinen Papa gefragt, «was genau war denn nervig oder hat nicht funktioniert, im letzten Jahr während ihr ElementaryOS 0.3 benutzt habt?» Im Wesentlichen erwähnte er nur wenige Dinge, die genannten Punkte sind aber von elementarer Bedeutung und ein Grund die Distro zu wechseln. Es stellt sich für Windows-Umsteiger nämlich immer die Frage, warum bei einer unpraktischen Distribution bleiben, wenn es Bessere gibt?

  • Am schlimmsten empfand mein Papa die Dateivewaltung von ElementaryOS, sie heisst Dateien und ist ein Fork von Marlin, das ist nochmal mehr vereinfacht als Nautlius aus GNOME 3 schon ist. Kurz: Der Dateimanager war für ihn eine Katastrophe. Ich zittiere: «Also die Dateiverwaltung von Elementary im Vergleich zu Linux Mint ist eine Katastrophe! Man kann ja nicht einmal einen neuen Ordner erstellen [in ElementaryOS], wenn der geöffnete Ordner schon voll ist.»
  • Zudem konnten sich beide, Mama wie Papa, über ein Jahr lang nicht an die 1-Click-Politik von ElementaryOS gewöhnen. Extrem problematisch für beide denn dieses Notebook wird mehrheitlich zur Verwaltung der Fotos genutzt. Noch heute öffnen sie Bilder mit Doppelklick (womit sich das Bild mit dieser Linux-Variante sofort 2x öffnet…) und sind genervt, weil ein Bild nicht auf einfache Weise nur markiert werden kann. Damit einhergehend ist für sie das Verschieben mehrerer Bilder in einen neuen Ordner immer wieder ein K(r)ampf.
  • Des Weiteren merkt sich der Dateimanager von ElementaryOS nicht, wie man zuvor den Inhalt sortiert hat. So sortiert man den Bilder-Ordner beim öffnen immer nochmal nach Zeit – nervig.
  • Als weitere Grund genannt wurde mir der nicht behobene Maus-Bug, ihm absolut unverständlich. Er als auch Entwickler (Lotus Notes) verstehe nicht «wie man ein derart gewichtiges Problem über viele Monate unbehoben lassen kann.» Natürlich habe ich ihm erklärt, dass die Ursache von Intel und Canonical her rührt; die haben schlicht vergessen den Bug in 14.04 zu beheben, aber das sei ihm (noch mehr) unverständlich wenn so viele User betroffen sind. Der Bugreport wird dieser Tage weiterhin fleißig vollgepumpt mit Störmeldungen.
  • Thunderbird hatte im letzten Jahr durch ein plötzliches Update ein Facelifting erhalten, die Menüs sind auf einmal anders, ganz ähnlich wie in Firefox. Das hat meine Mama etwas aus dem Konzept gebracht. Auch generell war Thunderbird für sie nie so gut in der Usability wie zuvor Outlook Express unter Windows XP. Hier haben wir die letzte Woche die bessere Lösung Evolution angestrebt und erfolgreich migriert, mehr dazu im kommenden Artikel #5.

Nicht falsch verstehen, mit Linux per sé sind meine Eltern sehr zufrieden. Für sie funktionierte im letzten Jahr alles wesentliche, was sie brauchten: Das Mailing, Skype, Drucken (HP Drucker) und Scannen (Epson Scanner), Briefe (Libre Office) und die Bilderverwaltung. Lediglich eine alte Astronomie-Software die sie mal per CD erhalten hatten, musste ich ihnen vor einem Jahr mit WINE installieren. Das hatte sofort so gut funktioniert, dass ich gar nicht nach einer Linux-Alternative Ausschau gehalten habe.

Bezüglich den Problemen mit ElementaryOS werde ich werde schon als Hassprediger bezeichnet in den Kommentaren zu meinem Artikel «ElementaryOS 0.4 Loki versagt auf ganzer Linie», weil ich die Tatsachen der Probleme beim Namen nenne. Dabei beobachte nicht nur ich das Problem mit dem übertriebenen Facelifting. Immer mehr Linux-Applikationen werden in ihren Funktionen extrem abgespeckt, womit zeitgleich die Usability zur reinsten Katastrophe wird. Am Anfang fand ich das noch geil, inzwischen bin ich auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt und habe die rosarote Brille abgesetzt.

Im nächsten Artikel #5 werde ich den Umstieg auf Linux Mint 18 auf dem Notebook meiner Mama ausführlich erklären. Ich möchte dabei darauf eingehen, wie man so einen Distro-Wechsel schmerzfrei über die Bühne bringt und welche Programme meine Eltern auf ihrem Linux-Gerät einsetzen. Stay tuned 🙂 !

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Schroeffu

Der Autor ist Schweizer, verheiratet, war 7 Jahre in DE und nun allesamt zurück in die CH. Als Vater von inzwischen zwei Kindern stellt sich die Frage: Wann bekommen die Kids ein eigenes Linux Laptop? ;-D

9 Kommentare

Jürgen · 26. November 2016 um 07:33

🙂 … das habe ich auch schon mal durchgezogen, vor einigen Jahren für die Mutter meiner Freundin. Damals ein Ubuntu noch mit GNOME 2 und den Desktop Mama-freundlich gestaltet. Das ging auch ganz gut, aber in der Zwischenzeit hat ein Android-Tablet den Dienst übernommen. Für nur Surfen und ab und an eine Video-Konferenz mit der Tochter, reicht ein Tablet locker und ist zudem handlicher.
Aber ich verfolge Deinen Mama-Artikel weiterhin mit Spannung …
P.S: Ich lasse bei Umstellungen die Leute meist selbst entscheiden. Viele deuten dann speziell auf Linux Mint, da es von der Bedienung zu Windows 7 oder XP am ähnlichsten ist. Dem Menschen Wille ist sein Himmelreich …

chris_blues · 26. November 2016 um 08:13

Bin auch schon gespannt, wie’s weitergeht!

Und das mit dem Hassprediger solltest du dir nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Es sind einfach nur wahnsinnig viele Leute im Internetz unerwegs, die denken, daß man beim Kommentieren Respekt und Höflichkeit abschalten darf…

Volker Holthaus · 26. November 2016 um 09:10

Ich habe den Rechner meiner Mutter von KUbuntu auf Arch Linux mit Plasma umgestellt. Das lief absolut reibungslos und kann ich nur empfehlen. Ansonsten muss ich nur sehr selten nach dem PC/Notebook schauen (nur zum Aktualisieren).

Thoys · 26. November 2016 um 09:25

Hallo,

ich habe meinem Dad Ubuntu mit Unity installiert, da es einfach funktioniert und beständig ist. Also es bleibt im Grunde im Verlauf der Jahre, zumindest in der Bedienung, gleich.
Denn mein Problem war, dass ich von Gnome2 Kam, dann KDE, und dann Unity und immer das Raunen „schon wieder ändert sich was“. Aber KDE war Debian und später Mint, Gnome 2 Ubuntu („damals“).

Die Bugs sind natürlich echt krass, also das mit der Maus.

Bei der Sache mit dem Oneclick oder dem Sortieren der Bilder ist halt faszinieren, dass Apple solche Sachen einfach beim Update ändert und es dort viele hinnehmen. (Gerade die Bildersoftware ändert sich auch im Aussehen nach einem Update. Natürlich lässt sich vielen wieder einstellen aber nicht für jeden erschließt sich das. )

Viel Erfolg weiterhin und um meinen Vorredner zu bestärken: Ignorier das Hassprediger gerede.

Thoys

Schroeffu · 26. November 2016 um 09:28

Danke für die netten Kommentare!

Die Systemaktualisierung übernimmt mein Papa fuer Mama, ihm habe ich eingebläut aus meiner Sicht ist nur ein aktuelles System ein sicheres System, der beste „Virenschutz“ sozusagen 🙂

postlet · 26. November 2016 um 22:38

Also hat es bei ElementaryOS nicht geholfen mal das zu tun, was im Bugreport vorgeschlagen wurde und für so ziemlich alle älteren Intel-GPUs bis Westmere-Chipsätze geradezu obligatorisch ist? Die Beschleunigungsmethode von SNA auf UXA ändern. Soweit ich die Hardware deiner Mama einschätze, solltest du das ab Besten auch für jede andere Distribution mit anderer Desktopumgebung in Betracht ziehen. (https://wiki.ubuntuusers.de/Grafikkarten/Intel/)

Und light-locker sollte man gleich wieder deaktivieren, weil das seit der Einführung mehr Probleme macht als löst, sowie man auch berücksichtigen muss, dass der XServer ohne Bildschirmschoner standardmäßig nach 10 Minuten auf schwarz schaltet, bevor DPMS greift. (https://wiki.ubuntuusers.de/Bildschirmschoner/)

Meiner Erfahrung nach sollte man in so einer Umgebung (also bspw. Mama und Papa planlos) nicht versuchen alles sinnvoll voreinzustellen, sondern so viele schwer kontrollierbare Komponenten wie irgendwie möglich ganz deaktivieren.

struppi · 27. November 2016 um 10:17

Der Mangel an Funktionalität des Dateiexplorer wird offensichtlich von manchen Entwickler unterschätzt. Seltsam das das für GNOME eines der ersten (für den Anwender offensichtlichsten) Änderungen war. Und dabie völlig übersehen, dass auch viele DAUs mit dem Drag&Drop System im Windowsexplorer durchaus umgehen können. Daher ist bei meinen Empfehlungen der Dateimanager immer ein wichtiger Punkt (auch für mich, wenn ich dann doch mal helfen muss).

Da die Leute denen ich zum Umstieg verholfen habe 🙂 ältere Desktoprechner nutzen scheidet Ubuntu meist mangels CP’U Leistung aus. Meine Versuche mit einem rolling release System (Manjaro) waren ernüchternd. Jede Woche war ein intensives Recherchieren und eingreifen notwendig. Die KDE Oberfläche (die ich persönlich gar nicht mag) bereitete einen Haufen Probleme, aber auf einmal nach einem update ging gar nichts mehr, nicht mal der Bootmanager startete. Das war dann das Ende von Manjaro. Letztlich wurde es auch ein Mint, da ich selber Debian nutze bin ich damit vertrauter und die Konfigurationsprobleme wurden deutlich geringer. Nach meiner Erfahrung ist es für willige Umsteiger die beste Distri.

Leider ist die Abnahme der Funktkionsfähigkeit von Software so ein Trend, der auf „Lieblingsoftware“ einen bösen Einfluss üben kann. Aber der ist auch unter Windows zu beobachten. Wenn ich da mal helfen „darf“ bin ich jedesmal überrascht, mit wie wenig die Leute da zufrieden scheinen. Habe dann aber grosse Probleme die Einstellungen zu finden um ein „verlorenes“ WLAN zu reaktivieren

Project «Mama’s Laptop von Windows XP zu Linux» #3: Die Installation » schroeffu.blog · 28. November 2016 um 08:37

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Project «Mama’s Laptop von Windows XP zu Linux» #5: Umstieg auf Linux Mint 18, Pinkie! » schroeffu.blog · 28. November 2016 um 08:41

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